Penetration Pricing KMU Digitalisierung Schweiz

Haben Sie sich jemals gefragt, was Penetrationspreise sind? Oder wie es im Englischen heisst Penetration Pricing? Wenn ja, dann sind Sie nicht allein.

In diesem Artikel (Teil unserer fortlaufenden Serie über Preisstrategien) erläutern wir Ihnen, was es mit Penetration Pricing auf sich hat und helfen Ihnen bei der Entscheidung, ob dies die richtige Strategie für Sie ist. 

Was bedeutet Penetration Pricing?

Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie zunächst den Begriff der Marktdurchdringung verstehen. Von Marktdurchdringung spricht man, wenn ein Unternehmen ein neues Produkt auf einem Markt einführt, auf dem bereits ähnliche Produkte existieren. Da es bereits eine Alternative zu dem Produkt gibt, müssen die Marketing- und Preisgestaltungsteams kreativ sein, um ihr Produkt von anderen abheben zu können. 

Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist Preisdurchdringung. Mit einer Penetrationsstrategie können Unternehmen Kunden für ein neues Produkt gewinnen, indem sie es zu Anfang zu einem ermässigten Preis anbieten. Nachdem ein Unternehmen genügend Interesse geweckt und Marktanteile gewonnen hat, hebt es den Preis wieder auf das Marktniveau an.

Welches Ziel hat Penetration Pricing?

Das Ziel einer Preisdurchdringungsstrategie ist, die Verbraucher mit einem geringen Risiko an ein Produkt heranzuführen, das Interesse an einem Produkt zu wecken und Markentreue aufzubauen. Ziel ist zunächst nicht unbedingt, einen Gewinn zu erzielen. Stattdessen sind die Hauptziele einer Preisstrategie für die Marktdurchdringung folgende:

  • Neue Nutzer gewinnen
  • Verbraucher mit einem Produkt bekannt machen
  • Etablierte Marktführer untergraben
  • Marktanteile schaffen

Unternehmen, die diese Strategie anwenden, verwenden oft eine Software, um die durchschnittlichen Marktpreise über einen bestimmten Zeitraum zu verfolgen und dann anhand dieser Daten ihren Einführungspreis zu berechnen.  

Einführungspreis Penetration Pricing

Beispiel aus dem Detailhändler Coop – Neue Produkte zum Einführungspreis

Preisabschöpfung vs. Preisdurchdringung

Penetrationspreise werden oft mit Preisabschöpfung verwechselt. Aber diese beiden Strategien sind sehr unterschiedlich.

Eine Penetrationsstrategie liegt vor, wenn Unternehmen auf Gewinnspannen verzichten, um Nutzer für ihre Produkte zu gewinnen. Sie wird meist angewandt, wenn ein Unternehmen oder ein neues Produkt in einen Markt eintritt und wenn das Hauptziel darin besteht, so viele Nutzer wie möglich zu gewinnen. Da die Gewinnspannen gering sind, ist die Preisdurchdringung weniger flexibel als die Preisabschöpfung. 

Preisabschöpfung hingegen ist eine Strategie, die bei Luxusprodukten oder anderen hochpreisigen Artikeln in unelastischen Kategorien zur Maximierung der Gewinnspanne eingesetzt wird. Anstatt einen niedrigen Preis für ein Produkt anzubieten, setzen Unternehmen, die eine Preisabschöpfungsstrategie anwenden, einen hohen Preis für ihre Produkte an und optimieren so ihre Gewinnspanne. 

Preisabschöpfung wird häufig von Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad und hoher Markentreue betrieben. Darüber hinaus wird sie oft bei Produkten eingesetzt, die sich deutlich von denen der Konkurrenz unterscheiden. Aus diesem Grund können Unternehmen wie beispielsweise Apple relativ hohe Preise für neue und innovative Produkte verlangen.

Vor- und Nachteile von Penetrationspreisen

Bei der Entscheidung, ob Sie eine Penetrationspreisstrategie anwenden sollen, müssen Sie die Vor- und Nachteile abwägen. Die Preisdurchdringung gilt zwar als grossartiger Ansatz für eine Preisgestaltung mit maximaler Sichtbarkeit auf dem Markt, sie kann aber auch der Wahrnehmung Ihrer Marke schaden, wenn Sie die Strategie nicht gut umsetzen.

Vorteile einer Penetrationsstrategie

Es gibt ein paar wichtige Punkte, die die Preisdurchdringung wirkungsvoll machen. 

1. Führt neue Kunden mit geringem Risiko in Ihr Produktangebot ein

Ein wichtiges Ziel einer solchen Preisstrategie ist es, die Verbraucher mit einem neuen Produkt oder einer neuen Dienstleistung in Kontakt zu bringen. Es ist eine grossartige Möglichkeit, in einen neuen Markt einzutreten, die Aufmerksamkeit auf Ihr Produkt zu lenken und von Anfang an eine gewisse Verkaufsattraktion zu erzielen. Es ist auch eine Gelegenheit, Kunden in Ihr Geschäft zu locken und das Potenzial für Cross- und Upsells zu erhöhen. 

2. Beeinflusst die Preiswahrnehmung

Die Penetration ist auch eine gute Möglichkeit, die Preiswahrnehmung Ihres Produkts von Anfang an zu beeinflussen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie als High-End-Einzelhändler oder als preisgünstige Option wahrgenommen werden wollen.

Mit durchdachten Marketingkampagnen (und dem Einsatz von Taktiken wie Charming Pricing und anderen) können Sie ein Image rund um Ihren Produktwert aufbauen. Und Sie können eine Geschichte erzählen, die beeinflusst, wie der Verbraucher Ihre Marke sieht. 

3. Den Markt aufrütteln

Penetrationspreise sind auch eine Möglichkeit, einen Markt zu überholen, wenn es einen etablierten Marktführer gibt. In vielen Fällen treten Underdog”-Unternehmen in einen neuen Markt ein und verkaufen ein neues Produkt zu einem niedrigen Preis, um Kunden von einem etablierten Produkt wegzulocken.

Nachteile einer Penetrationsstrategie

Preisdurchdringung einzusetzen kann auch riskant sein. Wenn Sie die Gefahren dieser Strategie nicht vorausschauend berücksichtigen, kann sie verheerend sein. 

1. Mangel an Wert

Die grösste Stärke des Penetration Pricing – seine Fähigkeit, durch aggressive Preisgestaltung die Aufmerksamkeit auf Ihr Produkt in einem Meer ähnlicher Alternativen zu lenken – ist auch seine Schwäche.

Wenn Sie einen Preis zu niedrig ansetzen, werden die Verbraucher verärgert sein, wenn Sie den Preis anheben. Sie haben ihren Wert des Produkts an den niedrigen Preis geknüpft und werden möglicherweise nicht mehr kaufen, wenn Sie den Preis auf ein normales Niveau anheben.

2. Möglicher Wettlauf nach unten

Ein weiterer Nachteil ist die mögliche Reaktion anderer Anbieter. Wenn andere Marktteilnehmer als Reaktion auf Ihr Einführungsangebot ebenfalls ihre Preise senken, könnte dies einen Wettlauf nach unten auslösen. Eine Möglichkeit, sich vor diesem Wettlauf nach unten zu schützen, ist eine Software für Dynamic Pricing zu verwenden und eine Preisuntergrenze festzulegen, die Ihnen immer noch einen gewissen Spielraum lässt.

Beispiel für Penetration Pricing

Ein hervorragendes Beispiel für eine Penetrationsstrategie wurde vor wenigen Monaten in den Niederlanden umgesetzt, als Amazon.nl offiziell an den Start ging. 

Amazons Preisstrategie ist notorisch aggressiv und dynamisch. Das Unternehmen ist bekannt für seine extrem häufigen Preisänderungen. Es ist auch bekannt für sein Ethos, die beste Kundenerfahrung der Welt zu bieten. Dies geht oft mit Tiefstpreisen einher. Amazon führt nicht nur fast jedes Produkt, das Sie sich wünschen könnten. Sondern es liefert es auch zu einem Preis, der deutlich unter dem anderer Einzelhändler liegt.

Bei der Markteinführung unterschied sich Amazon in Bezug auf seine Preise nicht allzu sehr von anderen grossen Online-Händlern in den Niederlanden. Aber in den letzten Monaten hat Amazon stark mit dem Preis konkurriert, um die Besucherzahlen in seinem Shop zu erhöhen. Da die meisten Produkte auf Amazon hochelastisch sind und viele Alternativen bieten, ist dies eine kluge Strategie. Sie drückt den Durchschnittspreis für die meisten Produkte im Shop nach unten und festigt Amazons Preiswahrnehmung als günstigste Einkaufsmöglichkeit im Internet.

Aggressive Preise und Treueprogramm

Amazon.nl hat auch die tödlichste Waffe des Unternehmens eingesetzt: Amazon Prime.

Prime ist eine der wichtigsten Triebfedern für Amazons Webshop, weil es Markentreue erzeugt. Es ist so effektiv, dass 82 % aller US-Haushalte eine Prime-Mitgliedschaft haben. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 2021 ungefähr 46 % aller Haushalte.

Prime-Mitglieder geben jedes Jahr fast doppelt so viel aus wie Nicht-Prime-Mitglieder. Wenn Verbraucher ein Prime-Konto haben, ist ihr erster Gedanke, wenn sie etwas brauchen, zu schauen, ob Amazon es verkauft. Amazon weiss, dass Kunden, die einmal Prime-Mitglieder geworden sind, aufgrund der Bequemlichkeit, die Amazon bietet, kaum wieder gehen werden. 

Prime ist so entscheidend für den Erfolg von Amazon, dass es ein klarer Bestandteil von Amazons Einstiegsstrategie für die Niederlande war. Zum Zeitpunkt der Einführung (und auch jetzt noch) konnten niederländische Kunden Prime 30 Tage lang kostenlos testen. Nach dem 30-tägigen Testzeitraum werden ihnen nur 2,99 € pro Monat in Rechnung gestellt. Dies steht im krassen Gegensatz zu den meisten Märkten, in denen Amazon Prime rund 8 € pro Monat kostet. 

Das Ziel von Amazon in den Niederlanden ist klar: Das Unternehmen verbindet eine aggressive Preisstrategie mit seinem aussergewöhnlichen Treueprogramm, und das alles bei geringem Risiko für die Verbraucher. 

Wann sollten Sie eine Penetrationsstrategie anwenden?

Eine Penetrationspreispolitik ist am ehesten wirksam, wenn das Produkt hochelastisch ist. Sie ist auch auf Märkten wirksam, auf denen es kaum Unterschiede zwischen Produkt A und Produkt B gibt. Wenn vergleichbare Produkte praktisch gleich sind, ist dies der perfekte Nährboden, um den Preis zum einzigen Unterscheidungsmerkmal zu machen. 

Warum? Weil nach der grundlegenden Wirtschaftstheorie die Nachfrage steigt, wenn Sie Ihren Preis senken. Und wenn Ihr Produkt ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bietet, werden die Verbraucher Ihr Angebot schnell einer Alternative vorziehen. 

Nehmen wir an, Sie verkaufen zum Beispiel Mixer. Die Grundfunktion aller Mixer ist dieselbe. Einige haben vielleicht schärfere Klingen. Andere haben eventuell eine bessere Verarbeitungsqualität. Aber für viele Verbraucher machen diese Merkmale keinen grossen Unterschied. Was sie wollen, ist ein Gerät, das lange hält und mit dem sie jeden Morgen einen guten Smoothie mixen können – nicht mehr und nicht weniger. 

Wenn Sie einen neuen Mixer auf den Markt bringen wollen, kann eine Penetrationsstrategie ein guter Weg sein, um auf Ihre Marke aufmerksam zu machen. Mit einer durchdachten Marketingkampagne können Sie auch den Bekanntheitsgrad und die Wahrnehmung Ihrer Marke steigern. Haben Sie Erfolg damit, werden künftige Verbraucher bei Preiserhöhungen nicht mit der Wimper zucken: Sie kennen den Wert des Produkts. 

Abschliessende Überlegungen

Penetration Pricing ist eine gute Möglichkeit, einen neuen Markt zu erschliessen und auf Ihr Produkt aufmerksam zu machen. Achten Sie aber darauf, dass Sie bei der Durchführung vorsichtig sind. Wenn Sie es nicht richtig machen, kann Preisdurchdringung Ihrem Markenimage eher schaden als nützen – und das will niemand.